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Die Brücke am Stausee

von

Christian Lehmann

 

Sie hatten sich mal wieder gestritten. Viel geredet. Und er hatte mal wieder nachgegeben. Er war wieder müde geworden zu streiten. Und dann hatten sie sich geeinigt, am nächsten Wochenende an einem Ausflug teilzunehmen. Eine Fahrt an einen Stausee.

Endlich war der Bus angekommen. Sie durften aussteigen. Die Beine bewegen, laufen, frische Luft atmen. Etwas anderes sehen. Der weite Blick über viel Wasser lenkt ab von den Gedanken.

Ach ja, da ist ja die Staumauer. Eine lange Brücke führt hinüber auf die andere Seite, wo das Kraftwerk ist, wo die Turbinen dröhnen und wo dann eine Führung stattfindet. Wo informiert wird, wie viel Wasser wie viel Strom erzeugt usw. Das interessiert ihn aber nicht.

Sie schließt sich dieser Gruppe an.

Er geht nur ein Stück auf die Brücke mit und bleibt dann stehen. Eng am Geländer sieht er unter sich auf das Wasser, wo das Licht von den Wellen immer wieder verändert wird. Kleine Schaumkronen bilden sich und lösen sich wieder auf. Reflektiert vom Licht kommen und gehen die unterschiedlichsten Farben. Fasziniert beobachtet er dieses Wechselspiel, diesen Ausdruck von lebhaftem Leben. Fast schwindelt es ihn etwas. Obwohl er mit den Beinen fest auf der Erde steht, ist ihm, als sei er im Wasser und werde bewegt.

Aber so wenig er ganz über die Brücke gehen will, so wenig möchte er bewegt werden, als wisse er nicht wohin er gehört. Und es vergeht eine lange Zeit, wo er mal wieder unschlüssig verharrt und abwartet, was geschieht.

Und ganz allmählich begreift er sich. Nein, er will nicht mehr abwarten. Er hat genug gewartet. Verändern kann sich für ihn nur etwas, wenn er sich verändert.

Und langsam geht er auf der Brücke den Weg zurück. Er wusste nun seinen Weg. Sie sollte ihren Weg gehen. Dankbar weiter auf die Wellen blickend weiß er nun, wohin er will.

2000

Christian Lehmann